© dz.

Andacht für die Woche vom 16. bis 22. Mai 2021 - Pfr. i.R. Jürgen-Peter Lesch

Fri, 14 May 2021 10:28:52 +0000 von Klaus Fröhlich

© https://pixabay.com/de/photos/auge-blau-mensch-blick-wimpern-2644086/
VON DAVID
Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten?
Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und antworte mir!
Mein Herz hält dir vor dein Wort: »Ihr sollt mein Antlitz suchen.«
Darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz.
Verbirg dein Antlitz nicht vor mir, verstoße nicht im Zorn deinen Knecht!
Denn du bist meine Hilfe; verlass mich nicht
und tu die Hand nicht von mir ab, du Gott meines Heils!
Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich, aber der Herr nimmt mich auf.
Herr, weise mir deinen Weg
und leite mich auf ebener Bahn um meiner Feinde willen.
Gib mich nicht preis dem Willen meiner Feinde!
Denn es stehen falsche Zeugen wider mich auf und tun mir Unrecht.
Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde
die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen.
Harre des Herrn! Sei getrost und unverzagt und harre des Herrn!

(Psalm 27, 1.7-14; Lutherbibel 2017)
„Was ist gerecht?“ ist eine Frage, die uns immer neu beschäftigt. Was steht mir zu? Ist gerecht, was ich verdiene? Was steht anderen zu? Ist gerecht, was sie verdienen? Werde ich ungerecht behandelt oder werden mir Rechte genommen, die anderen zugestanden werden? Wer darf, wer soll auf welcher Grundlage bestimmte Rechte festlegen und ausüben? Oder – ganz schlicht – wie komme ich zu meinem Recht? Der Wochenpsalm 27, geht diesen Fragen auf außergewöhnliche Weise nach.

Von dem Zeitpunkt an, da die Ausbreitung des Covid-19-Virus mit ganz unterschiedlichen Einschränkungen bekämpft wird, gibt es Diskussionen darüber, ob diese Einschränkungen gerechtfertigt sind – und wenn ja, welche . Zurzeit wird vor allem darüber diskutiert, wem welche Freiheiten wann wieder zugestanden werden sollen. Doch wohl eher müsste darüber gesprochen werden, wessen Rechte auf welcher Grundlage in welchem Maße und bis wann eingeschränkt bleiben sollen oder müssen. Wie auch immer: Man kann über den Wert und den Sinn dieser Diskussionen unterschiedlicher Meinung sein. Sie kosten Kraft, die wir eigentlich für andere und sicher wichtigere Aufgaben brauchen. Das zerrt an unseren Nerven. Doch das Gefühl oder die Erfahrung, ungerecht behandelt zu werden, sind ernst zu nehmen. 

Da ist es wahrscheinlich gut, sich einmal aus den Diskussionen in den Medien und in den sozialen Netzwerken auszuklinken. Es braucht, so denke ich, ein wenig Zeit und so etwas wie Muße, sich darauf zu besinnen, was mich gerade in dieser Zeit hält und trägt. Für den Beter des Psalms ist es das Grundvertrauen auf Gott: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, … der Herr ist meines Lebens Kraft“. Das hebräische Wort, das Luther mit Heil übersetzt, hat dabei einen umfassenden Sinn. Es meint Hilfe, Rettung, Befreiung. Das Vertrauen darauf, ja die Gewissheit, dass ich in meinem Leben in einer Beziehung zu Gott stehe, kann mir Freiheit und Gelassenheit schenken. Das eröffnet mir und meinen Gedanken eine andere Dimension. Doch es darf nicht zu Überheblichkeit führen. Denn es macht mich nicht von selbst zu einem besseren Menschen. Das so zu sehen, wäre ganz falsch. Als Mensch lebe ich in lebendigen Beziehungen zu anderen Menschen, die die gleichen Rechte haben wie ich. Da kann und darf ich mich nicht einfach ausklinken. Diese Beziehungen sollten immer wieder neu abgestimmt werden. Ebenso brauche ich in meinem Verhältnis zu den anderen je und je eine Bestätigung.

Der Psalmbeter bittet Gott um Hilfe, gerade weil es für ihn diese vertrauensvolle Beziehung zu Gott gibt. Doch die Bitte wird unterbrochen: „Mein Herz hält dir vor dein Wort: ‚Ihr sollt mein Antlitz suchen.‘“ Jetzt stellt sich der Beter. Er stellt sich vor Gottes Antlitz; sozusagen von Angesicht zu Angesicht. Wenn sich Gott und Mensch so begegnen, geht es um gegenseitige Offenheit. „Prüfe mich, Herr, und erprobe mich, läutere meine Nieren und mein Herz!“ heißt es im Psalm 26, unmittelbar vor unserem Wochenpsalm. Dort vor Gottes Angesicht werden unsere guten wie unsere schlechten Seiten offenbar. Es wird deutlich, was uns gelungen ist, und ebenso, wo wir versagt haben. Diese Klärung zwischen Gott und Mensch ist ein wichtiger Schritt, bevor es dann wieder um die Probleme zwischen den Menschen geht. Im der Erkenntnis und im Wissen um die eigenen Schwächen kann der Psalmbeter, können wir, befreit um Gottes Hilfe bitten. Wobei es sich hier um eine ganz konkrete Hilfe in einer bestimmten Notlage handelt. Einsam und verlassen muss der Beter fürchten, dass er wegen falscher und verlogener Zeugen um sein Recht gebracht wird. Da ist die Versuchung groß, selbst das Recht zu beugen. Doch gerade jetzt ist es für den Psalmbeter wichtig, nicht vom rechten Weg abzuweichen. „Weise mir deinen Weg und leite mich auf ebener Bahn um meiner Feinde willen.“ Gerade wegen der Gegner will er sich nicht auf das falsche Spiel der anderen einlassen. Gerade dann ist es wichtig, das Rechte zu tun und sich nicht beirren zu lassen von Menschen, die ganz offensichtlich lügen und betrügen. Doch dazu braucht es sowohl eine angemessene Distanz als auch eine klare Haltung, die wir oft nicht allein aufbringen können. Dazu brauchen wir andere Menschen und überdies den Mut, den der Glaube verleihen kann. Ein Glaube, der hinter und nach all den Konflikten und Kämpfen das Land der Lebendigen sieht. Lebendig sein, gerne leben, sich der Lebens freuen – all das erhofft, ja erwartet der Beter für die Zukunft. 

Der Psalm macht Mut zu versuchen, sich selbst gegenüber und ebenso Gott gegenüber ehrlich zu werden – oder zumindest ehrlicher. Ehrlicher, wenn es darum geht einzuschätzen oder zu beurteilen, was ungerecht ist und was nicht. Ehrlicher, die eigenen Motive und Hintergründe für unser Urteil wahrzunehmen. Das kann uns helfen, ein wenig gelassener zu werden. Denn unsere Kräfte und unseren Mut brauchen wir dazu, uns selbst und andere Menschen möglichst unbeschadet und unverletzt durch diese Zeit zu bringen. Dabei ist es gut zu wissen oder sich klar zu machen, dass nicht alles in unserer Macht liegt oder von unserer Kraft abhängt. Wir dürfen – nein, wir sollen – uns selbst wie der Psalmbeter Mut machen: 
 „Hoffe auf den Herrn. Sei stark und fasse neuen Mut. Setz deine Hoffnung auf den Herrn!“

Amen.
Bestätigen

Bist du sicher?