Mit Worten voller Gottvertrauen beginnt der Wochenpsalm am Sonntag Invocavit, dem ersten in der Passionszeit: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.“ (V. 1+2) Die poetische, bildreiche Sprache, in der Erinnerungen an das alte Heiligtum im Jerusalemer Tempel anklingen, ist ein schöner Ausdruck für die Gewissheit des Glaubens: Bei Gott bin ich geborgen. Diese Gewissheit wird uns auch in anderen Versen dieses Psalms zugesprochen: „Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln.“ (V. 4) Oder: „Der Herr ist deine Zuversicht, der Höchste ist deine Zuflucht.“ (V. 9) Das sind starke und stärkende Worte. Worte, die uns in diesen aufgewühlten und sorgenvollen Zeiten gut tun.
(Psalm 91,1-6 +9-12)
(Psalm 91,1-6 +9-12)
Einen naiven, blauäugigen Blick auf die Realitäten des Lebens wird man den Betern dieses Psalms nicht vorwerfen können. Im Gegenteil, Bedrohungen und Gefahren, vor allem durch schwere Krankheit ausgelöst, werden deutlich angesprochen (V. 5+6): „das Grauen der Nacht, die Pfeile, die des Tages fliegen, die Pest, die im Finstern schleicht, die Seuche, die am Mittag Verderben bringt.“ Es fällt nicht schwer, diese Kette schlimmer Ereignisse bis in unsere Gegenwart fortzusetzen: die Corona-Pandemie, die immer noch mit hohen Infektionszahlen unseren Alltag belastet, und neuerdings der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der nicht nur die Menschen dort, sondern auch den Weltfrieden im ganzen bedroht. „Du musst nicht erschrecken“, heißt es im Wochenpsalm (V. 5). Doch, wir erschrecken über vieles, was ringsum geschieht! Und wenn es in V. 10 heißt: „Es wird dir kein Übel begegnen, und keine Plage wird sich deinem Hause nahen“, dann klingt das fast zu schön, um wahr zu sein.
Doch dann endet der Wochenpsalm noch einmal mit einem ebenso tröstlichen wie hoffnungsvollen Bild: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“ (V. 11+12) Viele werden bei diesen Worten auch den wunderbaren Chorsatz von Felix Mendelssohn-Bartholdy im Ohr haben. Diese beiden Verse, vor allem der erste Teil, sind schon seit Jahren ein „Renner“ unter den Taufsprüchen. Viele Eltern suchen sich diese Worte aus, weil sie spüren, dass es keine heile Welt ist, in die ihr Kind hineingeboren ist. Sie vertrauen es den „guten Mächten“ Gottes an und bitten ihn um Schutz und Segen für seinen Lebensweg.
Zum Auftakt der Passionszeit ist dieser Psalm aus dem Alten Testament ein guter Begleittext zu dem, was uns im Neuen Testament über das Leiden und Sterben Jesu berichtet wird. An Jesus sehen wir, was es bedeutet, wenn einer allen widrigen Erfahrungen zum Trotz am Gottvertrauen festhält und „unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt.“ So wollen wir ihn mit den Versen des Wochenliedes zu Invocavit bitten:
Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ,
daß uns hinfort nicht schade des bösen Feindes List.
Ach bleib mit deiner Treue bei uns, mein Herr und Gott;
Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not.
Bleiben Sie behütet und zuversichtlich,
Ihr Christian Klatt