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Gottes Himmel wird weit geöffnet - Wochenandacht 17. - 23.5.2020 - Pastor i.R. Jürgen-Peter Lesch

Mon, 18 May 2020 07:25:56 +0000 von St. Andreas Springe

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Spruch des Tages:
„Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“
Joh. 12, 32

Himmelfahrt muss man eigentlich unter freiem Himmel zusammen mit anderen Menschen feiern. Das gilt für den Gottesdienst an diesem Tag genauso wie für die Männer (und Frauen), die am „Vatertag“ ins Blaue ziehen. Doch diesmal ist alles anders als sonst.
Das gibt die Gelegenheit, über diesen Feiertag nachzudenken: ein Fest an einem Donnerstag, 40 Tage nach Ostern und 10 Tage vor Pfingsten. Ostern als Fest der Auferstehung von Jesus – das ist schon ziemlich klar. Und Pfingsten feiern wir als Christinnen und Christen sozusagen unseren Geburtstag, den Anfang einer weltweiten christlichen Kirche. Aber Himmelfahrt – was gibt es da zu feiern?

Schauen wir zurück auf das Geschehen, das uns im Neuen Testament überliefert wird. Da zeigt sich: In der Zeit nach der Auferstehung von Jesus mussten seine Jüngerinnen und Jünger schon Geduld haben. Die Auferstehung war zwar etwas wirklich Besonderes gewesen – für die, die daran glaubten. Aber eigentlich hatte sich für die Anhänger von Jesus nichts grundlegend geändert. In der Apostelgeschichte lesen wir, dass der auferstandene Jesus unter ihnen erschien und mit Ihnen vom Reich Gottes redete. In den Evangelien lesen wir von einzelnen Begegnungen zwischen dem Auferstandenen und unterschiedlichen Gruppen von Jüngerinnen und Jüngern. Und in der Guten Nachricht nach Johannes wird sogar erzählt, dass einige von ihnen schließlich nach Hause zurückkehrten. Dort machten sie genauso weiter wie in der Zeit, bevor ihnen Jesus begegnet war. 

Doch dann erinnern die Jüngerinnen und Jünger sich. Sie erinnern sich an die Tage zwischen dem triumphalen Einzug mit Jesus in Jerusalem am Palmsonntag und an seine Hinrichtung am Kreuz am Karfreitag. Das ganze Geschehen hatten sie eigentlich nicht richtig begreifen können. Es war vor ihnen abgelaufen wie ein Film. Erst jetzt fällt ihnen nach und nach vieles von dem wieder ein, was Jesus gesagt hatte. So erinnern sie sich, dass Jesus nicht nur ihnen, sondern vielen anderen Menschen – auch Griechen waren darunter – seine Festnahme, Verurteilung und Hinrichtung angekündigt hatte. Er hatte von einer Entscheidung gesprochen. Er hatte gesagt, dass sich an den Herrschaftsstrukturen der Erde nicht plötzlich alles ändern werde. Die alten Kräfte würden weiterhin mächtig bleiben. Und dann hatte er gesagt:

„Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“

Dieses „erhöht werden“, das war natürlich das Aufrichten des Kreuzes von Jesus gewesen. Das hatten die Jüngerinnen und Jünger an dem Tag der Hinrichtung endlich verstanden. Aber das bedeutet noch mehr. Jesus wird auch über die Erde erhöht. Er wird nicht nur am Kreuz in die Höhe gehoben. Mit der Kreuzigung wird er gleichzeitig in seine göttliche Herrlichkeit und Macht eingesetzt. Und die Anhänger von Jesus verstehen es erst jetzt. Mit seinen Worten „so will ich alle zu mir ziehen“ ist ihnen ein Auftrag erteilt worden. Jesus sendet sie in die Welt, um das Evangelium zu verkünden. Er sendet nun sie, wie er selbst von Gott, von seinen Vater (das also ist der Kern des Vatertags) gesendet worden ist. Seine Gefährten sind nun dazu berufen, die Gute Nachricht von Jesus zu verkünden. Und sie haben sein Versprechen, dass er selbst sie alle zu sich ziehen wird. Sie sind also bei ihrem Auftrag nicht allein.

Vierzig Tage nach Ostern verabschiedet sich der auferstandene Jesus von seinen Jüngerinnen und Jüngern. Darüber wird uns in den Überlieferungen von seiner Himmelfahrt berichtet. Damit das geschehen kann, öffnet sich der Himmel. In der Apostelgeschichte heißt es darüber: 

„Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“
(Apg 1,10-11)

Der Himmel aber bleibt geöffnet. Jesus ist jetzt nicht mehr in Nazareth oder in Bethlehem oder in Jerusalem – er ist sowohl in Nazareth wie in Bethlehem wie in Jerusalem wie in Rom wie in Altenhagen I und wie in Springe. Und der Himmel bleibt überall dort offen. Für alle Zeit.

Die Jüngerinnen und Jünger heben ihren Blick und schauen sich um. Sie schauen sich an und sie sehen einander in die Augen. Wir haben einen Auftrag von dem erhöhten Jesus Christus. Und wir sind nicht allein. Zehn Tage haben die Jüngerinnen und Jünger noch Zeit. Sie werden nun zu Apostelinnen und Aposteln, zu Sendboten von Jesus. Zehn Tage sind es bis Pfingsten. Bis dahin haben sie Zeit, sich auf Ihre neue Aufgabe vorzubereiten. 

Wenn sie gewusst oder auch nur geahnt hätten, was nach Pfingsten auf sie zukommen wird – die eine oder der andere hätte wohl doch beschlossen, wieder nach Hause zurückzukehren. Vielleicht hätte er seinen Freunden und seinen Kindern davon erzählt, was er mit Jesus erlebt hatte. Wie sie oder er mit Jesus von Ort zu Ort gezogen waren. Dass sie traurig waren mit den Traurigen und fröhlich mit den Fröhlichen. Dass sie voller Hoffnung waren: Mit Jesus sollte sich alles ändern. Und doch war dieser Rest von Traurigkeit geblieben. Diese Ahnung, dass sie das Ziel nicht erreichen würden. Dass es den Himmel auf Erden nicht geben würde. 

Gott sei Dank haben sich die neuen Apostelinnen und Apostel nicht von dem abschrecken lassen, was vor ihnen lag. Pfingsten haben sie zum ersten Mal öffentlich die Gute Nachricht von Jesus Christus verkündet. Und dann sind sie ausgeschwärmt in alle Welt und haben über die Worte und Taten von Jesus berichtet. 

Sich auf den Weg machen, neue Herausforderungen suchen und den Mut nicht verlieren – das ist etwas, was wir von den Apostelinnen und Aposteln lernen können. Wir wissen nicht, was in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten – ja vielleicht Jahren – auf uns zukommt. Wir ahnen und wir fürchten wohl auch, dass sich einiges, ja vielleicht vieles ändern wird – ändern muss. Viele mussten schon jetzt neue Herausforderungen annehmen, ihr Leben umstellen oder Arbeiten leisten, die sie bisher gar nicht im Blick hatten. Etliche Menschen wissen nicht, ob ihre Arbeitskraft in Zukunft noch in dem Maße gebraucht werden wird, wie es vor der Corona-Krise der Fall gewesen ist. Und immer noch gibt es keine wirkliche Sicherheit vor einer Ansteckung. 

Da ist es wichtig, sich zu erinnern. Seit Christi Himmelfahrt ist der Himmel weit geöffnet. Das heißt, es gibt mit Jesus Christus eine Brücke zwischen Gott und uns Menschen. Christus spricht: „Ich will alle zu mir ziehen!“ Wir irren nicht orientierungslos umher. Wir sind nicht einem ungewissen Schicksal ausgeliefert. Wir sind auf einem Weg hin zu Christus. Und wir sind nicht allein unterwegs. 

Seit dem Pfingstfest vor fast 2.000 Jahren sind Menschen unterwegs. Sie sind mit einem Auftrag unterwegs. Sie sollen in Wort und Tat die Gute Nachricht von Jesus verkünden. Dabei sind sie traurig mit den Traurigen und fröhlich mit den Fröhlichen. Und es gibt immer noch diesen Rest von Traurigkeit. Doch das Ziel bleibt Christus. Dahin sind wir unterwegs. Wir sind nicht allein. Wir sind immer neu voller Hoffnung und voller Vertrauen, denn Christus hat es uns versprochen:

„Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“

Jürgen-Peter Lesch
Pfarrer in Ruhe (Springe)
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