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Andacht für die Woche vom 29. August bis 4. September – Sup.i.R. Wilhelm Niedernolte

Sun, 29 Aug 2021 10:10:34 +0000 von St. Andreas Springe

Wohl dem, der barmherzig ist und gerne leiht
und das Seine tut, wie es recht ist.
Psalm 112, 5

Der Psalm 112 unterscheidet sich von vielen anderen Psalmen in der Bibel. Meistens geht es in den Psalmen um das Lob Gottes, wie z. B. im Psalm 103: Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. Im Psalm 112 wird das Lob auf die Menschen ausgedehnt, auf die, die den Herrn fürchten. Sie werden im Wohlstand leben, in Reichtum und Gerechtigkeit. Er wird mächtig sein, sagt der Psalm.
An dieser Stelle jedoch muss ich Widerspruch anmelden; denn auch Menschen, die an Gott glauben und Freude haben an seinen Geboten, erfahren nicht nur Reichtum und Wohlstand, sondern auch Leid, Armut und Elend. Andernfalls  wäre der Glaube der Christen nur ein Wohlstandsglaube, und Erfahrungen von Leid, Armut und Elend  wären ein Hinweis auf einen Mangel an Gottes Segen. Das ist jedoch nicht der Fall. Sondern wer mit dem Jesus von Na-zareth unterwegs ist, muss wissen, dass dieser Weg nicht nur die Auferstehung kennt, son-dern gelegentlich auch die Kreuzigung. Also: Widerspruch gegen den Psalm an dieser Stelle.

Allerdings Zustimmung zum 5. Vers: Wohl dem, der barmherzig ist und gerne leiht. Das erin-nert zunächst an die Bergpredigt beim Evangelisten Matthäus: Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. In der Tat: Wer barmherzig ist, ein mitfühlendes Herz hat – mit den Menschen in Ahrweiler und anderswo, die ihr Zuhause durch die Flutkata-strophe verloren haben, mit  den Opfern der Brandkatastrophen im Mittelmeerraum in Austra-lien und in Alaska, mit den Menschen in Kabul und ganz Afghanistan, die nicht wissen, wie es mit ihnen weitergehen soll – wer ein mitfühlendes Herz hat, darf darauf hoffen, dass er und  sie seinerseits und ihrerseits auch in Notlagen auf mitfühlende Herzen treffen wird. Ich bin froh und dankbar, dass in dem Land, in dem ich lebe, so unglaublich viele mitfühlende Herzen schlagen, die nicht nur mit schlagen, sondern auch mithelfen, die Not zu lindern mit Geld und Sachspenden.

Wohl dem, der gerne leiht, sagt der Psalm weiter. Martin Luther und andere Reformatoren standen sehr kritisch gegenüber dem Geldverleih gegen Zinsen. Geld mit Geld zu verdienen hielten sie für Sünde. Das ist heute längst nicht mehr die Position der Kirchen, denn auch sie legen Geld an und finanzieren ihre Arbeit teilweise auch über die dadurch erzielten Zinsen, was in der zurückliegenden Niedrigzinsphase allerdings weniger möglich war. Auch Kirchen sind in überschaubarem Umfang an Geldgeschäften beteiligt und bewirken Gutes damit, z.B. mit ihrer Bank, die den Namen „Oikocredit“ trägt. Dazu ist auf der homepage der Evangeli-schen Kirche in Deutschland (EKD) zu lesen:
Die im niederländischen Amersfoort ansässige ökumenische Entwicklungsbank Oikocredit verdankt ihre Entstehung den in den siebziger Jahren erkannten ökumenischen und entwick-lungspolitischen Herausforderungen der europäischen evangelischen Kirchen: Den Men-schen in den ärmeren Ländern nicht einfach nur materiell zu helfen, sondern Hilfe durch Selbsthilfe zu ermöglichen - als einen Beitrag zur Gerechtigkeit in der einen Welt. Da örtliche Initiativen in Ländern in der sogenannten Dritten Welt nach klassischen Bankregeln meist als nicht kreditwürdig gelten (mangels verwertbarer Sicherheiten), hat es sich Oikocredit zur Aufgabe gemacht, hier einen Geldtransfer von Nord nach Süd vorzunehmen. Damit wird es auch Kleinstunternehmen ermöglicht, zu Krediten zu kommen und zu investieren. Die Kredite werden in der Regel in der Landeswährung ausgereicht, sind zinsgünstig und setzen ein wirt-schaftliches Konzept voraus. Oikokredit finanziert sich durch Anteile, die besondere Freun-deskreise vertreiben.

Diese Anteile (zu je 400 Euro) werden gering verzinst und gelten als sichere Anlagen. Die ausgereichten Kleinkredite werden in einer sehr hohen Quote auch tatsächlich zurückgezahlt. In neuerer Zeit hat auch die Weltbank erkannt, dass solche Kleinstkredite ein probates Mittel sind, wirksam zu helfen. Als Microkredite erlangen sie im weltweiten Finanzwesen langsam wachsende Bedeutung.
(Mehr dazu auf www.oikocredit.org)

Wohl dem, der gerne leiht heißt es im Psalm für diese Woche.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Zeit.

Wilhelm Niedernolte, Eldagsen
Sup. i. R.
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