„Groß ist der Herr und hoch zu rühmen in der Stadt unseres Gottes, auf seinem heiligen Berge.
Schön ragt empor sein Gipfel, daran freut sich die ganze Welt.“ (Psalm 48,2+3.9-15)
Mit diesem hymnischen Lobpreis beginnt der neue Wochenpsalm. Er gehört zu der Gruppe der sogenannten Zionlieder; das sind Psalmen, die die Pracht und die Bedeutung des Heiligtums auf dem Berg Zion in Jerusalem besingen. König David hatte im 10. Jahrhundert v. Chr. den Zion zum politischen und religiösen Zentrums Israels gemacht. Der Tempel, den Davids Sohn und Nachfolger Salomo dort erbauen ließ, muss von beeindruckender Größe und Schönheit gewesen sein. So klingt in den Zionliedern auch etwas von Stolz und Bewunderung über dies großartige Gebäude an.
Doch viel wichtiger ist etwas anderes. Nicht der Tempel, sondern Gott steht im Mittelpunkt dieses Hymnus: „Groß ist der Herr und hoch zu rühmen in der Stadt unseres Gottes.“ Denn dieses sakrale Gebäude auf dem „heiligen Berge“ war für die Israeliten ein Ort der Gottesbegegnung. „Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt“, heißt es in einem anderen Psalm (26, 8). Die Gottesdienste, die dort gefeiert wurden, schufen ein besonderes Gefühl der Nähe Gottes. Dies kommt auch in unserem Wochenpsalm zum Ausdruck (V. 10): „Gott, wir gedenken deiner Güte in deinem Tempel.“
Diese Erfahrung kennen wir doch auch aus den Gottesdiensten in unseren Kirchen. Sie geben uns Raum und Zeit für die Begegnung mit Gott. Wir treten vor ihn mit unseren Gebeten und Liedern. Wir hören auf die Worte des Evangeliums, die uns Gottes Güte und Barmherzigkeit zusprechen und Wegweisung für unser Leben geben. Das sind heilsame Erfahrungen, die uns gut tun. Denn im Alltag unseres Lebens sind wir immer wieder großen Herausforderungen und Erschütterungen ausgesetzt. Die Corona-Pandemie oder die jüngste Hochwasserkatastrophe haben uns erneut vor Augen geführt, wie brüchig die Fundamente unseres Lebens und wie begrenzt unsere Kräfte sind. Aus den Bibeltexten des Alten und des Neuen Testaments hören wir, dass wir dennoch nicht auf verlorenem Posten stehen, weil Gott uns nicht verloren gibt. „Gott, wir gedenken deiner Güte in deinem Tempel.“
Der Tempel in Jerusalem ist längst Geschichte. Nach seiner endgültigen Zerstörung im Jahr 70 n. Chr. ist von ihm nichts mehr übrig geblieben außer der berühmten „Klagemauer“. Doch mit den alten Zionliedern können auch wir in unseren Gottesdiensten einstimmen in den Lobpreis Gottes. Denn „er ist’s, der uns führet.“ (V. 15) Das sind die letzten Worte aus dem Wochenpsalm. Sie schenken uns die Gewissheit und rufen uns zum Vertrauen, dass Gott bei uns ist – „am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ (Dietrich Bonhoeffer)
Bleiben Sie zuversichtlich und behütet!
Ihr
Ihr
Christian Klatt