Psalm 107, 1-2 + 23-32
1 Danket dem Herrn;denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewiglich.
So sollen sagen, die erlöst sind durch den Herrn,
die er aus der Not erlöst hat.
Die mit Schiffen auf dem Meer fuhren
und trieben ihren Handel auf großen Wassern,
die des Herrn Werke erfahren haben
und seine Wunder im Meer,
wenn er sprach und einen Sturmwind erregte,
der die Wellen erhob,
und sie gen Himmel fuhren und in den Abgrund sanken,
dass ihre Seele vor Angst verzagte,
dass sie taumelten und wankten wie ein Trunkener
und wussten keinen Rat mehr,
die dann zum Herrn schrien ihrer Not
und er führte sie aus ihren Ängsten
und stillte das Ungewitter,
dass die Wellen sich legten
und sie froh wurden, dass es still geworden war
und er sie zum ersehnten Hafen brachte:
Die sollen dem Herrn danken für seine Güte
und für seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut,
und ihn in der Gemeinde preisen
und bei den Alten rühmen.
Liebe Lesende!
Dieser Psalm ist ein schönes und einleuchtendes Beispiel dafür, dass es gut ist, auf Gott zu vertrauen; dass es sich lohnt, ihn um Hilfe anzurufen, wenn man in Not gerät; dass wir Menschen den Naturgewalten nicht hilflos ausgeliefert sind.
Denn das haben Kaufleute und Seeleute erfahren, von denen der Psalm erzählt. Sie sind mit Schiffen übers Meer gefahren, um Handel zu treiben. Dort sind sie in einen Sturm geraten und haben gewaltige Wellen erlebt, die ihr Schiff gen Himmel erhoben und in abgründige Wellentäler geschleudert haben. Wir können ihre Not nachfühlen durch die dramatische Schilderung der aufgewühlten See im Psalm. In ihrer totalen Ratlosigkeit schrien die Schiffsinsassen zu Gott um Hilfe. Und Gott half ihnen. Er stillte das Ungewitter und führte das Schiff und die auf ihm waren in den ersehnten Hafen.
Nach all diesen Erlebnissen fordert der Psalmist die Geretteten auf, Gott zu danken für seine wunderbare Hilfe und ihn zu preisen in der Gemeinde.
Das können wir gut nachempfinden und werden dem Psalmsänger zustimmen.
So soll es sein, dass auch wir Gott anrufen in der Not und nicht nur dann und dass wir ihm anschließend nach der Errettung von Herzen danken für seine Hilfe und anderen davon erzählen. So sollte es sein!
Aber ist es immer so? Gibt es nicht auch Fälle, in denen Seebrüchige nicht gerettetet werden, sondern im Meer ertrinken wie so manche der Bootsflüchtlinge, die von Nordafrika aus nach Europa wollen in seeuntüchtigen Schlauchbooten?
Haben wohl nicht auch manche von ihnen zu Gott geschrien in ihrer Not und sind doch nicht errettet worden? Erleben nicht auch wir in mancher Notlage, dass Gott nicht immer so hilft wie wir es erbitten?
Doch, so ist es! Es passieren Dinge, und es erleben Menschen Nöte, in denen ihnen nicht geholfen wird, auch wenn sie um Hilfe gebeten haben und obwohl sie andere Menschen und auch Gott angerufen haben.
Wir wissen und wir erleben das, und wir verstehen es nicht. Das macht uns unsicher in unserem Vertrauen auf Gott und auf Menschen. Das ist leider wahr, und es ist schwer, damit umzugehen.
Trotzdem sollten wir uns von solchen Erfahrungen nicht allzu sehr verunsichern lassen, obwohl das schwer ist, - vor allem, wenn es uns selbst oder unsere Familie betrifft.
Vielmehr wollen wir nach Möglichkeit auch dann noch versuchen, dem Rat des Psalmisten zu folgen und wollen weiterhin Gott anrufen im Gebet und ihn um Hilfe bitten in Nöten und Unsicherheiten, auch dann, wenn er nicht sogleich zu helfen scheint; denn Geduld und Beharrlichkeit gehören wohl auch zum Glauben dazu.
Es sind doch auch unsere Bitten nicht immer vernünftig; und Gottes Hilfe geht manchmal andere Wege als wir sie erwarten und verstehen. Aber auch wo wir nicht verstehen, lohnt es sich, am Vertrauen auf den himmlischen Vater festzuhalten gerade dann, wenn Unsicherheit sich ausbreitet. Das haben viele Glaubende erfahren.
Und wir wollen doch mit dem Psalmdichter in jedem Fall festhalten: „Der Herr ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.“ Darauf wollen wir bauen!
Jürgen Flohr