„Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich.“
Lukas 10,16a – Wochenspruch für den 1. Sonntag nach Trinitatis
Pfingsten ist vorbei – und nun liegt eine lange Zeit ohne kirchliche Festtage vor uns. Der Alltag holt uns ein. Das war auch so bei den Menschen, die vor fast 2000 Jahren Jesus gefolgt waren. Vor ihnen lagen „die Mühen der Ebene“. Da war es gut und wichtig, sich daran zu erinnern, warum und wie die Gute Nachricht über Jesus Christus verbreitet worden ist und weiterverbreitet werden kann – bis heute. Darum geht es in dem Text, an dessen Ende der Wochenspruch steht.
Pfingsten ist vorbei – und nun liegt eine lange Zeit ohne kirchliche Festtage vor uns. Der Alltag holt uns ein. Das war auch so bei den Menschen, die vor fast 2000 Jahren Jesus gefolgt waren. Vor ihnen lagen „die Mühen der Ebene“. Da war es gut und wichtig, sich daran zu erinnern, warum und wie die Gute Nachricht über Jesus Christus verbreitet worden ist und weiterverbreitet werden kann – bis heute. Darum geht es in dem Text, an dessen Ende der Wochenspruch steht.
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ heißt ein bekanntes Sprichwort. Und in den letzten Tagen geht mir ein Bild nicht mehr aus dem Kopf. Da steht ein Mann vor einer Kirche und hält ein Buch hoch – eine Bibel. Kurz zuvor hat seine Tochter es ihm gereicht. Er dreht nun das Buch hin und her, als wüsste er zunächst nicht, was er damit anfangen sollte. Dann hält er die Bibel wie eine Trophäe, die er gerade erbeutet hat. Der Mann schlägt das Buch nicht auf. Er liest nichts aus der Bibel vor – keinen Psalm, kein Gebet, keine tröstenden Worte. Er steht nur da und hält das Buch hoch in die Luft. Das alles dauert gerade einmal drei Minuten.
Ein Mann mit einem Buch in der Hand – das erinnert mich natürlich an Lutherstandbilder. Ein häufiges Motiv: Luther hält die Bibel in den Händen. Doch er hält sie wie einen wertvollen Schatz, ein Testament. Er zeigt: Darauf vertraue ich. Das ist eine Grundlage meines Glaubens. Daran habe ich Jahr um Jahr gearbeitet und bin damit doch nicht zu einem Ende gekommen. Das ist mein wertvoller Schatz. Auf anderen Standbildern hält Luther die Bibel aufgeschlagen in den Händen. Das ist ein Angebot: Nimm dieses Buch und lies darin. Es ist wertvoll. Und das Lesen lohnt sich. Es geht darum, was in diesem Buch steht.
Zwei Männer, die jeweils ein Buch halten. Der Unterschied aber könnte nicht größer sein. Die Haltung des einen setzt sich fort in der Art und Weise, wie er mit anderen Menschen umgeht. Und das steht – auch wenn er die Bibel hochhält – in klarem Widerspruch zu dem, was wir in dieser Bibel lesen. Das wird deutlich, wenn wir das Geschehen vor der St. Johns Episcopal Church mit dem Text vergleichen, an dessen Ende der Wochenspruch steht.
Der Mann, der die Bibel in die Luft hält, hatte zuvor mit einem Tross von Beratern das Weiße Haus in Washington DC verlassen. In der Zeit davor war ihm der Weg zur Kirche von Uniformierten unter dem Einsatz von Tränengas freigeräumt worden. In der Begleitung des Mannes war auch ein General im Kampfanzug, der höchste Offizier des Landes. Dann steht der Mann vor der Kirche. Nur eine Viertelstunde dauert der Ausflug, Fototermin inklusive, dann ist der Spuk bereits vorbei – die letzten offiziellen Bilder zeigen den Mann, gesäumt von Uniformierten mit Helm und Schild, wie er den Rückweg in seine Residenz zurücklegt.
Im Lukasevangelium lesen wir von einem ganz anderen Verhalten, das Jesus seinen Anhängern aufträgt. Im Kapitel 10 ist von 72 Jüngern die Rede, die er als seine Boten einsetzt. Sie werden jeweils zu zweit vor Jesus her ausgesendet. Er sagt ihnen sehr deutlich, was ihre Aufgaben sind und was sie erwartet. Er macht ihnen keine übertriebenen Hoffnungen und verschweigt nicht mögliche Probleme. Und er gibt klare Anweisungen. Zunächst heißt es: „Tragt keinen Geldbeutel bei euch, keine Tasche, keine Schuhe“. Und von Triumph ist keine Rede, sondern von Gefahr und Verfolgung. Jesus sagt: „Geht hin; siehe, ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe.“
Diese Erzählung über die Aussendung von 72 Jüngern ist für die Menschen in der Zeit nach der Auferstehung von Jesus eine Art Anweisung dafür, wie Christinnen und Christen über ihren Glauben sprechen können. Sie kann eine Hilfe dafür sein, Menschen für den christlichen Glauben zu gewinnen. Das beginnt ganz schlicht. Die Gesandten oder Apostel – denn so ist das griechische Wort – sollen in den unterschiedlichen Orten in die Häuser gehen. Sie sollen sehen, ob und wie sie aufgenommen werden. „Wenn ihr in ein Haus kommt, sprecht zuerst: Friede sei diesem Hause! Und wenn dort ein Kind des Friedens ist, so wird euer Friede auf ihm ruhen; wenn aber nicht, so wird sich euer Friede wieder zu euch wenden.“ Wie der Friedensgruß aufgenommen wird entscheidet darüber, was nun geschieht. Und dann heißt es einfach weiter: „In demselben Haus aber bleibt, esst und trinkt, was man euch gibt; denn ein Arbeiter ist seines Lohnes wert.“
Dieser letzte Satz hat gegenwärtig wieder besondere Bedeutung bekommen. Hier wird nicht vom Wert der Arbeit gesprochen, sondern vom Wert des Arbeiters. Oder anders gesagt: Wer arbeitet, hat Anrecht auf seinen Lohn; einen Lohn, der dem entspricht, was er zum Leben – und nicht nur zum Überleben – braucht. Darüber ließe sich sehr viel länger nachdenken.
Doch weiter im Text des Lukasevangeliums. Da geht es um das gemeinsame Mahl. Die Gespräche mit anderen Menschen während des Essens. Wie wichtig das ist, haben wir erst jetzt wieder gelernt, als wir fast ganz darauf verzichten mussten. Gemeinsame Mahlzeiten schaffen Vertrauen. Sie stimmen friedlich. Unterschiedliche Meinungen und Ansichten lassen sich besser am Tisch als auf der Straße äußern und austauschen. Allerdings sollten dann auch Menschen am Tisch sitzen, die nicht von vorn herein einer Meinung sind. Dann wird es eintönig und langweilig. Dagegen können uns offene und ehrliche Tischgespräche weiterbringen.
Doch es bleibt nicht nur beim Essen und Trinken. Jesus gibt seinen Anhängern zwei besondere Aufträge: „heilt die Kranken“ und „sagt ihnen: Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen“. Das heißt: Redet nicht nur, sondern tut auch etwas. „Heilt die Kranken“ hier und jetzt. Vertröstet sie nicht. Und nehmt um Himmels Willen Krankheiten nicht als gottgegeben hin. Und dann sprecht vom Reich Gottes. Es heißt im griechischen Text zweimal ganz wörtlich: „Es ist das Reich Gottes nahe zu euch gekommen“. Das ist keine Vertröstung, sondern eine Zusage.
Im weiteren Verlauf wird aber auch deutlich, dass der Versuch, Menschen vom Evangelium zu überzeugen, manchmal scheitert. Das ist einfach so. Menschen sollen sich frei entscheiden. Nicht alle Menschen lassen sich überzeugen. Wieder etwas, was wir lernen können. Lass dem anderen seine Meinung. Aber versuche wenigstens, ihn zu überzeugen. Nimm seine Fragen und Zweifel ernst. Rede mit ihm, nicht über ihn. Das wird nicht alle Konflikte lösen. Aber Konflikte können so in einer Weise auf Dauer gestellt werden, dass keiner unterlegen ist und keiner sich als Sieger brüsten kann.
Die Ankündigungen von Jesus, dass die Verkündigung des Evangeliums bei den Menschen in Orten wie Chorazin, Betsaida und Kapernaum auf taube Ohren stoßen und dass sie sich nicht ändern werden, sind eher Klagen als Drohungen. Da ist keine Genugtuung über das Schicksal dieser Städte zu hören, sondern eher Mitleid.
Die Abgesandten könnten angesichts dieser angekündigten Misserfolge Zweifel bekommen. Doch die werden aufgehoben in dem Satz von Jesus, der über der vor uns liegenden Woche steht. „Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich“. Damit stärkt er die 72 Apostel, die er ausgesandt hat zu den Menschen, in ihre Häuser und in ihre Städte. Diese Zusage gilt nun allen Christinnen und Christen, weil sie zu den Menschen als Botschafter der Guten Nachricht gesandt sind. Das könnte sie überheblich machen. Doch diese Zusage ist mit klaren Aufträgen verbunden. Gott wirkt durch die Hände und die Stimme von denen, die er ausgesandt hat. Es sind anfangs nicht viele und die Aufgabe ist groß und auch nicht ungefährlich. Doch die Schritte sind klar: zu den Menschen gehen, mit ihnen reden, ihnen zuhören, mit ihnen Tischgemeinschaft haben. Darauf neugierig sein, was sie fühlen und denken, wie sie leben. Und immer wieder versuchen, Menschen zu heilen: in Krankheiten und Ängsten, in Sorgen und Nöten, in Verzweiflung und Trauer. Sie sollen ein Trost sein für andere und selbst den Trost der anderen annehmen. Und dabei dürfen sie darauf vertrauen, dass das Reich Gottes schon gekommen ist – noch nicht ganz da, aber sehr nahe.
Ein Mann mit einem Buch in der Hand – das erinnert mich natürlich an Lutherstandbilder. Ein häufiges Motiv: Luther hält die Bibel in den Händen. Doch er hält sie wie einen wertvollen Schatz, ein Testament. Er zeigt: Darauf vertraue ich. Das ist eine Grundlage meines Glaubens. Daran habe ich Jahr um Jahr gearbeitet und bin damit doch nicht zu einem Ende gekommen. Das ist mein wertvoller Schatz. Auf anderen Standbildern hält Luther die Bibel aufgeschlagen in den Händen. Das ist ein Angebot: Nimm dieses Buch und lies darin. Es ist wertvoll. Und das Lesen lohnt sich. Es geht darum, was in diesem Buch steht.
Zwei Männer, die jeweils ein Buch halten. Der Unterschied aber könnte nicht größer sein. Die Haltung des einen setzt sich fort in der Art und Weise, wie er mit anderen Menschen umgeht. Und das steht – auch wenn er die Bibel hochhält – in klarem Widerspruch zu dem, was wir in dieser Bibel lesen. Das wird deutlich, wenn wir das Geschehen vor der St. Johns Episcopal Church mit dem Text vergleichen, an dessen Ende der Wochenspruch steht.
Der Mann, der die Bibel in die Luft hält, hatte zuvor mit einem Tross von Beratern das Weiße Haus in Washington DC verlassen. In der Zeit davor war ihm der Weg zur Kirche von Uniformierten unter dem Einsatz von Tränengas freigeräumt worden. In der Begleitung des Mannes war auch ein General im Kampfanzug, der höchste Offizier des Landes. Dann steht der Mann vor der Kirche. Nur eine Viertelstunde dauert der Ausflug, Fototermin inklusive, dann ist der Spuk bereits vorbei – die letzten offiziellen Bilder zeigen den Mann, gesäumt von Uniformierten mit Helm und Schild, wie er den Rückweg in seine Residenz zurücklegt.
Im Lukasevangelium lesen wir von einem ganz anderen Verhalten, das Jesus seinen Anhängern aufträgt. Im Kapitel 10 ist von 72 Jüngern die Rede, die er als seine Boten einsetzt. Sie werden jeweils zu zweit vor Jesus her ausgesendet. Er sagt ihnen sehr deutlich, was ihre Aufgaben sind und was sie erwartet. Er macht ihnen keine übertriebenen Hoffnungen und verschweigt nicht mögliche Probleme. Und er gibt klare Anweisungen. Zunächst heißt es: „Tragt keinen Geldbeutel bei euch, keine Tasche, keine Schuhe“. Und von Triumph ist keine Rede, sondern von Gefahr und Verfolgung. Jesus sagt: „Geht hin; siehe, ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe.“
Diese Erzählung über die Aussendung von 72 Jüngern ist für die Menschen in der Zeit nach der Auferstehung von Jesus eine Art Anweisung dafür, wie Christinnen und Christen über ihren Glauben sprechen können. Sie kann eine Hilfe dafür sein, Menschen für den christlichen Glauben zu gewinnen. Das beginnt ganz schlicht. Die Gesandten oder Apostel – denn so ist das griechische Wort – sollen in den unterschiedlichen Orten in die Häuser gehen. Sie sollen sehen, ob und wie sie aufgenommen werden. „Wenn ihr in ein Haus kommt, sprecht zuerst: Friede sei diesem Hause! Und wenn dort ein Kind des Friedens ist, so wird euer Friede auf ihm ruhen; wenn aber nicht, so wird sich euer Friede wieder zu euch wenden.“ Wie der Friedensgruß aufgenommen wird entscheidet darüber, was nun geschieht. Und dann heißt es einfach weiter: „In demselben Haus aber bleibt, esst und trinkt, was man euch gibt; denn ein Arbeiter ist seines Lohnes wert.“
Dieser letzte Satz hat gegenwärtig wieder besondere Bedeutung bekommen. Hier wird nicht vom Wert der Arbeit gesprochen, sondern vom Wert des Arbeiters. Oder anders gesagt: Wer arbeitet, hat Anrecht auf seinen Lohn; einen Lohn, der dem entspricht, was er zum Leben – und nicht nur zum Überleben – braucht. Darüber ließe sich sehr viel länger nachdenken.
Doch weiter im Text des Lukasevangeliums. Da geht es um das gemeinsame Mahl. Die Gespräche mit anderen Menschen während des Essens. Wie wichtig das ist, haben wir erst jetzt wieder gelernt, als wir fast ganz darauf verzichten mussten. Gemeinsame Mahlzeiten schaffen Vertrauen. Sie stimmen friedlich. Unterschiedliche Meinungen und Ansichten lassen sich besser am Tisch als auf der Straße äußern und austauschen. Allerdings sollten dann auch Menschen am Tisch sitzen, die nicht von vorn herein einer Meinung sind. Dann wird es eintönig und langweilig. Dagegen können uns offene und ehrliche Tischgespräche weiterbringen.
Doch es bleibt nicht nur beim Essen und Trinken. Jesus gibt seinen Anhängern zwei besondere Aufträge: „heilt die Kranken“ und „sagt ihnen: Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen“. Das heißt: Redet nicht nur, sondern tut auch etwas. „Heilt die Kranken“ hier und jetzt. Vertröstet sie nicht. Und nehmt um Himmels Willen Krankheiten nicht als gottgegeben hin. Und dann sprecht vom Reich Gottes. Es heißt im griechischen Text zweimal ganz wörtlich: „Es ist das Reich Gottes nahe zu euch gekommen“. Das ist keine Vertröstung, sondern eine Zusage.
Im weiteren Verlauf wird aber auch deutlich, dass der Versuch, Menschen vom Evangelium zu überzeugen, manchmal scheitert. Das ist einfach so. Menschen sollen sich frei entscheiden. Nicht alle Menschen lassen sich überzeugen. Wieder etwas, was wir lernen können. Lass dem anderen seine Meinung. Aber versuche wenigstens, ihn zu überzeugen. Nimm seine Fragen und Zweifel ernst. Rede mit ihm, nicht über ihn. Das wird nicht alle Konflikte lösen. Aber Konflikte können so in einer Weise auf Dauer gestellt werden, dass keiner unterlegen ist und keiner sich als Sieger brüsten kann.
Die Ankündigungen von Jesus, dass die Verkündigung des Evangeliums bei den Menschen in Orten wie Chorazin, Betsaida und Kapernaum auf taube Ohren stoßen und dass sie sich nicht ändern werden, sind eher Klagen als Drohungen. Da ist keine Genugtuung über das Schicksal dieser Städte zu hören, sondern eher Mitleid.
Die Abgesandten könnten angesichts dieser angekündigten Misserfolge Zweifel bekommen. Doch die werden aufgehoben in dem Satz von Jesus, der über der vor uns liegenden Woche steht. „Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich“. Damit stärkt er die 72 Apostel, die er ausgesandt hat zu den Menschen, in ihre Häuser und in ihre Städte. Diese Zusage gilt nun allen Christinnen und Christen, weil sie zu den Menschen als Botschafter der Guten Nachricht gesandt sind. Das könnte sie überheblich machen. Doch diese Zusage ist mit klaren Aufträgen verbunden. Gott wirkt durch die Hände und die Stimme von denen, die er ausgesandt hat. Es sind anfangs nicht viele und die Aufgabe ist groß und auch nicht ungefährlich. Doch die Schritte sind klar: zu den Menschen gehen, mit ihnen reden, ihnen zuhören, mit ihnen Tischgemeinschaft haben. Darauf neugierig sein, was sie fühlen und denken, wie sie leben. Und immer wieder versuchen, Menschen zu heilen: in Krankheiten und Ängsten, in Sorgen und Nöten, in Verzweiflung und Trauer. Sie sollen ein Trost sein für andere und selbst den Trost der anderen annehmen. Und dabei dürfen sie darauf vertrauen, dass das Reich Gottes schon gekommen ist – noch nicht ganz da, aber sehr nahe.
Amen.
Jürgen-Peter Lesch
(Pfarrer in Ruhe in Springe)
Jürgen-Peter Lesch
(Pfarrer in Ruhe in Springe)