Diskussionswürdiger Artikel aus der Wochenzeitschrift "DIE ZEIT"
Barmherzigkeit: Mit der Bergpredigt kann man nicht regieren? Doch, kann man! Der Jesuit Klaus Mertes widerspricht Jens Spahns Politik der Herzenshärte
Aus der ZEIT Nr. 11/2018
Antoine Leiris, der seine Frau bei den Pariser Terroranschlägen im November 2015 verlor, schrieb an ihre Mörder: "Meinen Hass bekommt ihr nicht." Das ist eine Übersetzung eines Bildes, das Jesus in der Bergpredigt benutzt: "Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte auch die andere Wange hin." Feindesliebe ist nicht nur eine Chance für den Feind, den "Feind" anders zu sehen und ihn so zu "entfeinden" (Pinchas Lapide), sondern sie ist auch ein Weg aus dem eigenen Hass, dessen Existenz der Witwer Leiris ja bei sich selbst nicht bestreitet. Hass ist aber momentan Teil des politischen Diskurses.
Mit der Bergpredigt könne man kein Land regieren, behauptete in der vergangenen Woche der designierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Stimmt das? Muss sich Politik gegen Einsprüche des Herzens hart machen, um regieren zu können? Zunächst: Die Bergpredigt ist Jesu Beitrag zur Auslegung der Thora. Allein schon deswegen ist sie ein politischer Text. Denn die Thora einschließlich der Zehn Gebote ist keineswegs nur eine moralische Handreichung für das Verhalten von Einzelpersonen, sondern ein Verfassungsentwurf. Die Bergpredigt wendet sich auch nicht gegen die Thora, etwa um sie zu ersetzen, sondern interpretiert sie. Zum Beispiel die Entschädigungsregelung im jüdischen Gesetz – ein Quantensprung gegenüber dem Blutrache-Prinzip. Sie verpflichtet Täter zu angemessenem Schadensersatz gegenüber dem Opfer: "Du sollst geben : Auge für Auge, Zahn für Zahn." Aus der Perspektive der Opfer kann daraus ein Recht auf Vergeltung konstruiert werden. Die Bergpredigt bestreitet eine solche Auslegung. Ich wüsste kaum ein politisches Thema, das heute aktueller wäre.
hier weiter lesen ....
http://www.zeit.de/2018/11/bergpredigt-barmherzigkeit-regieren-grosse-koalition
Aus der ZEIT Nr. 11/2018
Antoine Leiris, der seine Frau bei den Pariser Terroranschlägen im November 2015 verlor, schrieb an ihre Mörder: "Meinen Hass bekommt ihr nicht." Das ist eine Übersetzung eines Bildes, das Jesus in der Bergpredigt benutzt: "Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte auch die andere Wange hin." Feindesliebe ist nicht nur eine Chance für den Feind, den "Feind" anders zu sehen und ihn so zu "entfeinden" (Pinchas Lapide), sondern sie ist auch ein Weg aus dem eigenen Hass, dessen Existenz der Witwer Leiris ja bei sich selbst nicht bestreitet. Hass ist aber momentan Teil des politischen Diskurses.
Mit der Bergpredigt könne man kein Land regieren, behauptete in der vergangenen Woche der designierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Stimmt das? Muss sich Politik gegen Einsprüche des Herzens hart machen, um regieren zu können? Zunächst: Die Bergpredigt ist Jesu Beitrag zur Auslegung der Thora. Allein schon deswegen ist sie ein politischer Text. Denn die Thora einschließlich der Zehn Gebote ist keineswegs nur eine moralische Handreichung für das Verhalten von Einzelpersonen, sondern ein Verfassungsentwurf. Die Bergpredigt wendet sich auch nicht gegen die Thora, etwa um sie zu ersetzen, sondern interpretiert sie. Zum Beispiel die Entschädigungsregelung im jüdischen Gesetz – ein Quantensprung gegenüber dem Blutrache-Prinzip. Sie verpflichtet Täter zu angemessenem Schadensersatz gegenüber dem Opfer: "Du sollst geben : Auge für Auge, Zahn für Zahn." Aus der Perspektive der Opfer kann daraus ein Recht auf Vergeltung konstruiert werden. Die Bergpredigt bestreitet eine solche Auslegung. Ich wüsste kaum ein politisches Thema, das heute aktueller wäre.
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http://www.zeit.de/2018/11/bergpredigt-barmherzigkeit-regieren-grosse-koalition